Seit seiner Einführung im Jahr 1974 unter dem Produktnamen Roundup hat sich der Wirkstoff Glyphosat zu einem der Eckpfeiler der modernen Landwirtschaft entwickelt. Als sogenanntes Breitbandherbizid kann es gegen die meisten Arten von Unkräutern effizient eingesetzt werden. Heute ist es das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid. Landwirte setzen Glyphosat vor der Aussaat von Feldfrüchten ein, um Unkräuter abzutöten und so ein ertragreiches Wachstum zu ermöglichen. Aus der modernen Landwirtschaft und der weltweiten Nahrungsversorung ist es kaum mehr wegzudenken.
Doch 2015 kippte die Stimmung gegen Glyphosat. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stufte das Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend ein“. Ungeachtet der unklaren Studienlage und anderer Institute, die es als nicht krebserregend einstuften, begannen weltweit Verbotsverfahren und Klagewellen.
So auch in der EU. Hier wurde 2017 beschlossen, Glyphosat nur noch für weitere 5 Jahre zuzulassen. 2022 wurde Glyphosat dann ein weiteres Jahr zugelassen mit der Begründung, dass eine Bewertung einer von Nutzen und möglicher Schädlichkeit von Glyphosat sehr umfangreich und komplex sei. Im Juli 2023 stellte dann die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Neubewertung der Auswirkungen von Glyphosat vor. Der Bericht konnte keine Bereiche identifizieren, die Anlass zur Besorgnis geben, wies aber auf unzureichende Daten in einigen Bereichen hin [1].
Am 13. Oktober 2023 sollte dann eine Entscheidung über die weitere Verwendung von Gyphosat für 10 Jahre getroffen werden. Aber es kam zu keiner Einigung, es gab keine Mehrheit. Nun muss bis zum 15.12.2023 eine Entscheidung getroffen werden, denn dann läuft die Zulassung des Herbizids ab [2].
Welche Bedeutung hat Glyphosat?
Auf einem Feld, auf dem bereits Unkraut wächst, können keine Kulturpflanzen wachsen. Dieses muss der Landwirt vor der Aussaat entfernen. Und hier kommt Glyphosat ins Spiel. Als Breitbandherbizid wirkt es gegen die meisten Unkräuter und zerstört diese vollständig. Nach der Behandlung wird Glyphosat sehr schnell neutralisiert, so dass es kaum ins Grundwasser gelangt [3]. ür den Menschen ist es relativ ungiftig und gelangt bei sachgerechter Anwendung vor der Aussaat auch nicht in die Nahrung.
Aus wirtschaftlicher Sicht trägt Glyphosat zu einer kosteneffizienteren Landwirtschaft bei, wodurch Nahrungsmittel erschwinglicher und für eine breitere Bevölkerung zugänglich werden.
Die Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen, die gegen Glyphosat resistent sind, hat diese Vorteile noch verstärkt. Im Jahr 2015 machten solche glyphosatresistenten Pflanzen einen Großteil der landwirtschaftlichen Erträge in den USA aus, wo etwa 90 Prozent des Mais-, Getreide- und Sojabohnenanbaus gentechnisch so verändert waren, dass sie gegen Glyphosat resistent sind [4].
Insgesamt trägt Glyphosat also dazu bei, die Nahrungsmittelproduktion an die Bedürfnisse einer wachsenden Weltbevölkerung anzupassen. Durch die effektive Unkrautbekämpfung, die Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken und die Steigerung landwirtschaftlicher Erträge spielt Glyphosat eine entscheidende Rolle bei der Sicherung einer ausreichenden und bezahlbaren Nahrungsmittelversorgung.
Was ist „No-Till“-Farming?
Ohne Glyphosat muss das Unkraut auf andere Weise entfernt werden, vor allem durch Pflügen. Hierbei wird der Boden so umgegraben, dass das Unkraut tief unter der Erde landet. Dabei wird aber das Ökosystem im Boden langfristig zerstört. Pilze, Würmer und Insekten sterben durch das Pflügen aus, der Kohlenstoffgehalt der Erde nimmt ab. Es entstehen die sogenannten „Kulturböden“. Überwiegend frei von Leben und arm an organischer Substanz, haben eine sehr schlechte Biodiversität, die sich auch auf angrenzende Ökosysteme auswirkt [5].
Konservierende Anbaumethoden wie das „No-Till“-Farming (im Deutschen Direktsaat) funktionieren derzeit nur mit dem Einsatz von Herbiziden. Hierbei wird der Boden nicht oder nur minimal umgepflügt, was den Boden vor Erosion schützt, die Bodenstruktur und -gesundheit erhält, Kohlenstoff im Boden speichert und letztlich die Produktivität des Bodens für zukünftige Anpflanzungen sicherstellt. Glyphosat kann somit helfen, unsere Böden und damit unsere Lebensgrundlage zu erhalten.
Doch warum steht Glyphosat in der Kritik?
Ist Glyphosat krebserregend?
Die International Agency for Research on Cancer (IARC) der Weltgesundheitsorganisation klassifizierte Glyphosat im Jahr 2015 als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“. Diese Einstufung basierte hauptsächlich auf epidemiologischen Studien [6]. Es ist außerdem wichtig zu betonen, dass es eben nicht als „krebserregend“ eingestuft wurde, sondern eine Stufe darunter, so wie Fleisch und heißes Wasser auch. Außerdem kommen andere Organisationen, einschließlich der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde (EPA) zu anderen Schlüssen und stufen es nicht als krebserregend ein.
Natürlich muss darauf geachtet werden, die Rückstände von Glyphosat in Lebensmitteln so gering wie möglich zu halten. Es gibt Grenzwerte für die Menge an Glyphosat in Lebensmitteln, die für den Menschen unbedenklich ist. Obwohl in einigen Fällen Rückstände nachgewiesen werden können, liegen diese immer unter den Grenzwerten. Zwischen 2003 und 2011 wurden in 27 von 1230 Proben Glyphosatrückstände gefunden, Grenzwerte wurden nie überschritten [7].
Die unklaren und geringen Risiken für den Menschen rechtfertigen also keinesfalls ein Totalverbot des Herbizids.
Zerstört Glyphosat die Umwelt?
Allerdings gibt es auch Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Umwelt. Die Kritik, Glyphosat sei schädlich für Pflanzen, ist nicht von der Hand zu weisen. Als Herbizid soll es eben Unkraut vernichten, und zwar möglichst vollständig. Die Frage ist also eher, wie viel vom Feld in die Umwelt gelangt. Und das ist sehr wenig, denn Glyphosat wird im Boden schnell neutralisiert und verdunstet kaum [8].
Da sich Glyphosat aber im Wasser nur sehr langsam abbaut und mögliche Auswirkungen auf Insekten und andere Lebewesen nicht ausgeschlossen werden können, muss der Fokus auf einem verantwortungsvollen Einsatz liegen. Bei unsachgemäßer Anwendung, z.B. zum Abtöten von Getreide vor der Ernte, oder bei Überdosierung steigt das Risiko für die Umwelt.
Bei der Bewertung möglicher Schadwirkungen muss zudem berücksichtigt werden, dass der Wirkstoff Glyphosat je nach Produkt in Kombination mit anderen chemischen Verbindungen eingesetzt wird und die Schädlichkeit daher auch zwischen Glyphosat-Produkten stark variieren kann.
Im wissenschaftlichen Diskurs ist es wichtig, Daten kritisch zu hinterfragen und einen Konsens aus wiederholbaren und unabhängigen Ergebnissen abzuleiten. Derzeit besteht jedoch zumindest Konsens darüber, dass Glyphosat bei sachgerechter Anwendung weniger gefährlich für Mensch und Natur ist als alternative Herbizide [8].
Was wären die Folgen eines Verbots?
Ein Verbot von Glyphosat in Europa würde unweigerlich zu tiefgreifenden Veränderungen in der Agrarlandschaft führen. Vor allem die Produktivität der Landwirtschaft ist gefährdet. Viele Landwirte sind auf das Herbizid angewiesen, ohne Glyphosat könnte es zu erheblichen Ertragseinbußen kommen.
Das Verbot könnte auch zu höheren Betriebskosten für die Landwirte führen, da sie möglicherweise auf weniger effiziente oder teurere Unkrautbekämpfungsmethoden zurückgreifen müssten. Dies könnte letztlich zu höheren Verbraucherpreisen für Lebensmittel und andere Agrarprodukte führen.
Aus ökologischer Sicht könnten die Landwirte gezwungen sein, zur Unkrautbekämpfung wieder häufiger zu pflügen, was sich negativ auf die Bodenqualität und die CO2-Emissionen auswirken könnte. Durch mögliche Ertragseinbußen steigt der Bedarf an Ackerland. Das bedeutet, dass weniger Flächen für eine gesunde Natur zur Verfügung stehen.
Schätzungen gehen davon aus, dass bei einem Verbot in Europa die Ernteerträge um 1 bis 20 % zurückgehen würden, bei gleichzeitiger Verschlechterung der Bodenqualität und erhöhten Treibhausgasemissionen durch das Pflügen der Felder [9]. Schätzungen für ein Verbot von Glyphosat in Mexiko sind deutlich pessimistischer: Die Ernteerträge könnten um bis zu 40% zurückgehen. In der Folge würden die Nahrungsmittelpreise steigen und der Zugang zu Nahrungsmitteln für einkommensschwache Verbraucher erschwert [10].
Tatsächlich gibt es ein Land, das Glyphosat in der Vergangenheit verboten hat: Sri Lanka führte 2015 ein Verbot ein. Das Experiment scheiterte mit katastrophalen Folgen für Mensch und Natur: Die Produktion ging zurück, die Preise für Grundnahrungsmittel stiegen, ehemalige Felder erodierten und der Schwarzmarkt für Herbizide boomte [11]. Bereits drei Jahre später sah sich Sri Lanka gezwungen, das Verbot schrittweise wieder aufzuheben.
Fazit
Glyphosat spielt eine herausragende Rolle in der Landwirtschaft und damit in der weltweiten Nahrungsmittelversorgung. Es trägt zu einem effizienteren Anbau von Nahrungsmitteln bei, ohne bräuchten wir mehr Anbaufläche und die Produktionspreise wären höher. Wir könnten auf Glyphosat verzichten, aber die Alternativen sind keineswegs besser: Wenn Landwirte mehr pflügen, um Unkräuter unter Kontrolle zu halten, verstärken sie die Bodenerosion. Andere Herbizide können die Umwelt stärker belasten oder sind weniger wirksam. Andere Methoden der Unkrautbekämpfung müssen erst noch auf ihre Wirksamkeit getestet werden.
Vor diesem Hintergrund müssten die negativen Auswirkungen des Herbizids erheblich sein, um eine Entscheidung wie ein Verbot zu rechtfertigen. Tatsächlich ist die Datenlage zu den Risiken von Glyphosat alles andere als eindeutig. Zahlreiche renommierte Institutionen weltweit bestätigen die Sicherheit von Glyphosat bei sachgerechter Anwendung.
Deshalb halte ich ein Verbot für unverantwortlich. Es würde weder der Natur noch den Menschen etwas bringen. Und ein Verbot würde die Schwächsten der Gesellschaft am härtesten treffen: diejenigen, die mit steigenden Lebensmittelpreisen nicht mithalten können, oder Landwirte, die nicht auf andere Methoden der Unkrautbekämpfung umsteigen können.
Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft scheint Glyphosat aber immer noch eines der besten Werkzeuge zu sein, die uns zur Verfügung stehen. Deshalb bin ich klar gegen ein Totalverbot. Sinnvoll sind hingegen Regelungen, die eine unsachgemäße Anwendung verhindern und das Risiko einer Verbreitung ins Grundwasser oder in Lebensmittel verringern.
Gleichzeitig begrüße ich die stetigen Fortschritte in der Agrarforschung und bin überzeugt, dass innovative Methoden in der Landwirtschaft weiterentwickelt werden müssen – auch bei der Unkrautbekämpfung. Und ich freue mich, wenn bessere Methoden in Zukunft Glyphosat ersetzen.
Quellen:
[1] https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.2903/j.efsa.2023.8164
[3] https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/pflanzenschutzmittel/glyphosat
[5] https://soilify.org/magazin/der-gnadenlose-kampf-gegen-glyphosat/
[6] https://www.iarc.who.int/featured-news/media-centre-iarc-news-glyphosate/
[7] https://dserver.bundestag.de/btd/17/071/1707168.pdf
[8] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ps.1518
[9] https://link.springer.com/article/10.1186/s12302-022-00667-3
[10] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ps.6362?af=R