Es klingt wie eine völlig verrückte Idee: Ein Sonnenschild im Weltall soll einen Teil der Sonnenstrahlung abfangen und uns damit vor einer katastrophalen Klimaerwärmung retten.
Wenn aber alles schiefgeht, wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen und unsere Zivilisation vor dem Kollaps steht, was bleibt uns dann noch übrig? Genau mit dieser Frage setzt sich das Geoengineering auseinander. Und es gibt beeindruckende und gleichzeitig angsteinflößende Ideen und Konzepte, wie unsere letzte Hoffnung gegen den Klimawandel aussehen könnte.
Als ich zum ersten mal von der Idee gehört habe, die Sonnenstrahlung auf die Erde durch ein gigantisches Sonnenschild reduzieren, habe ich das als eine verrückte Träumerei abgetan. Aber tatsächlich haben sich sehr schlaue Menschen hierzu Gedanken gemacht. Und die Konzepte, die es in diesem Bereich gibt, sind so cool, dass ich sie euch nicht vorenthalten möchte!
Warum will man überhaupt Spiegel im Weltall?
Geoengineering beschreibt geplante technologische Eingriffe, vor allem mit dem Ziel, das Klima zu beeinflussen. Ein Teilbereich des Geoengineerings, das sogenannte „Solar Radiation Management“ beschäftigt sich mit der Reduktion der Sonneneinstrahlung auf die Erde. Die Idee hinter den Sonnenschilden ist also recht einfach: Es sollen weniger Sonnenstrahlen auf die Erde gelangen und der Klimawandel so auf diese Weise gelöst werden.
Man muss „nur“ zwischen 1,1% (Bei einer Erwärmung von 2,6°C) und 3,6% (Bei einer Erwärmung von 8,5°C) der Sonnenstrahlung blocken, um die Erde wieder auf vorindustrielle Werte zu kühlen [1]. Und das kann man nach bisherigen Berechnungen erreichen, indem man einen Sonnenschild mit ungefähr der Fläche von Brasilien zwischen Sonne und Erde platziert [2].
Wo müsste dieses Sonnenschild platziert werden?
In den meisten Ideen soll dieses Sonnenschild in dem sogenannten Lagrange Point SEL1 positioniert werden. Das beschreibt den Ort im Weltall, wo sich die Gravitation der Erde und der Sonne die Balance halten.
Wenn wir das Sonnenschild in SEL1 platzieren, dann bleibt es Dank der Gravitation von Erde und Sonne erst einmal dort. Allerdings müssten wir es noch etwas Näher an der Sonne platzieren, damit sich die abstoßende Kraft der Sonneneinstrahlung mit der zusätzlichen Gravitation der Sonne die Waage halten. 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt wäre genau richtig.
Es ist definitiv möglich, diesen SEL1 Punkt zu erreichen. Seit 2015 befindet sich der DISCOVR Satellit hier und liefert täglich Bilder der Erde, die zum Beispiel am 04.02.2023 so aussah:
Wie könnte dieses Sonnenschild aussehen?
Es gibt verschiedene abgefahrene Pläne wie das Sonnenschild aussehen und ins Weltall kommen soll [1]:
- Ein riesiges Sonnensegel aus einer Metallfolie.
- Eine Wolke aus Trillionen von einem Meter großen Scheiben.
- Eine Photovoltaikanlage, die nebenbei noch den gesamten Energiebedarf der Erde decken könnte.
- Weltraumstaub aus einem gemahlenen Asteroiden. Eine Fabrik auf dem Asteroiden mahlt ihn zu Staub. Gleichzeitig muss man auch den Asteroiden in SEL1 bringen, so dass er mit seiner Gravitation die Staubwolke beisammen hält.
- Eine gigantische Linse, die das Sonnenlicht verteilt, so dass weniger auf die Erde scheinen kann.
- Eine Art Seifenblasen, die von einer Raumschifffabrik aus gefertigt werden [2]
- Oder gar eine Art Planetenring für die Erde: Aus Raumschiffen, Staub, Folie, Ballons.
Ein paar dieser Ideen will ich euch mit mehr Details vorstellen:
Sonnenschild Modell Sonnensegel
Diese Idee eines Sonnenschildes war eine der ersten Ideen in diesem Bereich, ein erstes Paper hierzu erschien bereits 1989 [3].
Aber dennoch ist das Sonnenschild Modell Sonnensegel immernoch eine der verbreitetsten Ideen. Aber wie bekommt man ein Sonnensegel aus Aluminiumfolie in der Größe Brasiliens in das Weltall?
Ein neueres Paper, dass die Machbarkeit dieser Idee überprüft und sieht die folgenden Schritte vor:
Zunächst wird eine Fabrik auf dem Mond errichtet, von der aus Aluminiumfolie und andere für die Herstellung des Sonnensegels erforderliche Rohstoffe abgebaut und produziert werden. Diese werden dann mit Hilfe von Gauss-Kanonen (magnetische Spulen beschleunigen das Projektil) zum Lagrange Punk SEL1 geschossen.
Dort bauen autonome solarbetriebene Fabriksatelliten das Segel zusammen. Mit den zugesendeten Rohstoffen bauen die Satelliten Photovoltaikanlagen zusammen, die immer mehr Fabriksatelliten mit Energie versorgen.
Und schon hat man eine gigantische Aluminiumfolienscheibe in SEL1. Es gibt Wissenschaftler, die davon ausgehen, dass dies bis 2060 realisierbar wäre [1]
Sonnenschild Modell Spiegelwolke
Um komplizierte Produktionsvorgänge im Weltall zu vermeiden, kam 2006 eine andere Idee auf:
Auf der Erde sollten Trillionen von ca. 1 Meter großen beweglichen Spiegelscheiben gefertigt werden. Diese Scheiben sollen dann von gigantischen Railguns zum SEL1 geschossen werden.
Im Weltall sollen diese Scheiben in der Lage sein, durch das Drehen einzelner Teile in dem Sonnenlicht zu „segeln“. Sie sollen sich also autonom im SEL1 bewegen können. Mit allen anderen Scheiben sind sie vernetzt, so dass sie sich verteilen und Kollisionen vermieden können.
Wenn das Sonnenschild dann nicht mehr gebraucht wird, dann segeln die Scheiben einfach in das Weltall hinaus.
Der Author des Papers sieht vor, dass diese Idee innerhalb von 25 Jahren für „wenige Trillionen Dollar“ umsetzbar sei, sobald sich eine nahende Klimakatastrophe abzeichne [4].
Sonnenschild Modell Seifenblasen
Eine relativ moderne Idee sieht vor, das Sonnenschild aus einer Art Seifenblasen aus Silikon aufzubauen. Diese Blasen werden dann zu einem Schirm verbunden. Der Schirm soll dann noch von Steuerelementen stabilisiert und in Position gehalten werden.
Hierzu sollen in Fabriksatelliten diese Blasen aus Silikon aufgeblasen werden. In der Kälte des Weltalls am SEL1 sollen sie dann gefrieren. Der Vorteil von diesem Vorgehen ist, dass relativ wenig Material benötigt wird, da die Oberflächen der einzelnen Silikonblasen sehr dünn sein sollen. Wenn das Sonnenschild nicht mehr benötigt wird, dann kann man die Blasen platzen lassen und relativ wenig Reste bleiben übrig.
Der Transport von Material zu den Fabriksatelliten könnte wiederum mitttels einer Railgun von der Erde aus stattfinden [2].
Klingt gut, warum nicht einfach machen?
Die meisten Kritiker dieser Technologie haben die Sorge, dass die Möglichkeit eines Sonnenschildes dazu führt, dass die Bemühungen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen nachlassen. Demgegenüber habe ich nicht ein einziges Paper zu diesem Thema gefunden, dass nicht betont, dass die Technologie nur einen Notnagel darstellt, wenn wir es nicht hinbekommen, den Klimawandel zu lösen.
Und es wird immer wieder betont, dass auch wenn ein Sonnenschild installiert wäre, dennoch eine Reduktion der CO2 Emissionen erforderlich wäre. Weil CO2 eben nicht nur das Potential hat, das Klima zu erwärmen, sondern sich auch in Ozeanen löst und diese dadurch saurer werden und das eine Bedrohung für die dortigen Ökosysteme darstellen kann.
Eine andere Argumentationslinie von Kritikern bezieht sich darauf, dass solch ein Sonnenschild weder technisch machbar, noch bezahlbar sei. Das kann man wirklich nicht von der Hand weisen, die Ideen klingen auch recht wild.
Aber die Forschung kann wertvolle Ergebnisse bringen. Denn mit der Forschung erhalten wir nicht nur einen Notfallplan gegen den Klimawandel, denn gleichzeitig könnten sich Synergien zu anderen Technologien ergeben: Die Erfahrung mit solch einer Raumfahrttechnologie könnte uns bei der Umsetzung anderer Innovationen helfen, zum Beispiel der Besiedelung anderer Planeten, Metallabbau auf Asteroiden, Solarenergie aus dem Weltall oder der Asteroidenabwehr.
Außerdem muss vor Beginn einer Geoengineeringmaßnahme geklärt werden, wer die Entscheidungen auf welcher Grundlage trifft – wie viel und wie lange die Sonne abgeschirmt werden soll. Steward zieht in seinem Buch „Whole Earth Discipline“ den Vergleich zur Abwehr von Asteroiden: wenn ein Asteroid auf die Erde zurast und potentiell die Menschheit gefährdet, dann wäre es doch sehr wünschenswert, dass sich alle Staaten der Erde zusammenraffen und etwas dagegen unternehmen.
Ähnlich müsste man es mit dem Klimawandel halten: Bevor wir aussterben, wäre es doch sehr schön, wenn wir einen Notfallplan in der Tasche hätten.
Quellen:
[2] https://senseable.mit.edu/space-bubbles/
[3] https://www.nature.com/articles/340603a0
[4] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1859907/