In dem Buch „More from Less“ zeigt McAfee, Wirtschaftswissenschaftler am MIT, dass wir wider Erwarten auf einem guten Weg sind, das Leben auf der Erde nicht zu zerstören. Provokant schreibt er in der Einleitung, dass jeder in diesem Buch etwas finden wird, das er nur schwer akzeptieren kann, das aber dennoch zum Nachdenken anregt.
Außerdem hatte ich zuletzt „Less is more“ von Jason Hickel gelesen und fand es wenig überzeugend. „More from Less“ ist dazu nicht nur vom Titel her das komplette Gegenteil.
Warum sind wir auf einem guten Weg?
McAfee beginnt sein Buch mit einem Blick zurück in die Geschichte. Bis ins 18. Jahrhundert hinein schwankte die Bevölkerungszahl in England – abhängig von den Ernten – zwischen zwei und sechs Millionen Menschen. Mit der industriellen Revolution begann die Bevölkerung wieder stark zu wachsen. Robert Malthus, ein Denker der damaligen Zeit, erkannte das Muster und warnte vor dem Bevölkerungsanstieg. Doch er hatte Unrecht. Denn Kapitalismus und Innovation sorgten für immer mehr Menschen und immer größeren Wohlstand.
Dieser Wohlstand und das Bevölkerungswachstum hatten aber auch negative Folgen. Ressourcen drohten knapp zu werden, Umweltverschmutzung wurde zum Problem.
Und so häuften sich in den siebziger Jahren des letzten Jahrtausends erneut die Warnungen und Vorhersagen eines drohenden Weltuntergangs. Der Club of Rome und damalige Vordenker wie Paul R. Ehrlich sagten den Kollaps voraus. Und auch heute wird uns von Umweltschützern eindringlich geschildert, wie wir unseren Planeten verschmutzen, abholzen und generell zerstören, seine natürlichen Ressourcen aufbrauchen und die meisten anderen Arten aussterben lassen, so dass letztlich der Untergang der Menschheit bevorsteht.
Diesen sogenannten Neo-Malthusianern widerspricht McAfee. Je wohlhabender wir werden, desto weniger Ressourcen brauchen wir, desto weniger verschmutzen wir die Umwelt und desto mehr beginnen wir, die Schäden der Vergangenheit zu beheben. Als Beleg für diese These führt er Daten einer amerikanischen Behörde an, die für die USA den Verbrauch verschiedener relevanter Ressourcen erfasst. Bei fast allen Ressourcen wurde in der Vergangenheit ein Peak erreicht, seitdem sinken Verbrauch und Umweltbelastung kontinuierlich. Warum?
McAfee sieht den Grund in folgenden Entwicklungen:
- Verschlankung: Die selben Produkte werden kleiner und leichter, so dass weniger Ressourcen verwendet werden. Ein Smartphone hat mehr Rechenleistung als ein Supercomputer vor 30 Jahren, ist aber viel kleiner und verbraucht nur einen Bruchteil der Ressourcen.
- Austausch: Ressourcen werden mit einem immer höheren Verbrauch teurer. Das schafft Anreize, andere Ressourcen zu verwenden. Zum Beispiel werden mit erneuerbaren Energien günstigere Alternativen zu Kohle oder anderen Fossilen Brennstoffen geschaffen.
- Optimierung: Unsere heutige Informationstechnologie ermöglicht es uns, Prozesse um ein Vielfaches effizienter ablaufen zu lassen, als dies früher der Fall war. Das bringt vor allem Effizienzgewinne bei Lagerhaltung und Logistik.
- Abschaffen: Viele Dinge braucht man heute nicht mehr – Kameras, Walkmans, CDs oder Faxgeräte – technologischer Fortschritt schafft Geräte aller Art ab, die in anderen, kompakteren Geräten konzentriert werden.
Wie können wir diese Entwicklungen fördern?
Und warum schreiten diese Entwicklungen voran? Wegen dem Kapitalismus und dem unerbittlichen Preiskampf des Marktes, der Unternehmen dazu zwingt, günstiger und innovativer zu produzieren. Entgegen der landläufigen Meinung sieht McAfee also den Markt nicht nur als Verursacher von diversen Umweltproblemen, sondern auch als ein wertvolles Werkzeug, um die Umweltprobleme zu lösen.
McAfee betont mehrmals, dass er nicht der Meinung ist, dass es keine Probleme gäbe oder wir nichts tun müssten. Aber er spricht sich eben dafür aus, dass wir mehr von den Dingen machen, die gleichzeitig gut für Menschen und Planeten sind. Und als solche macht McAfee die folgenden vier Faktoren aus:
- Technologie: Entgegen der malthusianischen Erwartungen verbraucht modernere Technologie nicht immer mehr Ressourcen, sondern immer weniger.
- Kapitalismus: Die Dematerialisierung wird von der Innovationskraft und dem Preiskampf des Marktes vorangetrieben.
- Öffentliches Problembewusstsein: Wenn sich die Menschen für einsetzen, dann beeinflusst das den Markt und reaktionsfähige Regierungen.
- Reaktionsfähige Regierungen: Eine Regierung ist reaktionsfähig, wenn sie den Willen der Bevölkerung aufgreifen und wirksam umsetzen.
Wo alle diese vier Faktoren präsent sind, so die These von McAfee, dann kann eine Regierung sowohl die Lebensumstände der Menschen, als auch den Zustand von Natur und Umwelt verbessern. Wenn nicht, dann werden Mensch und Umwelt leiden. Das ist eine gute Nachricht. Denn wir müssen nicht das Lenkrad unserer Gesellschaft herumreißen, sondern eher bei den guten Dingen auf das Gaspedal treten.
Als Maßnahmen gegen den Klimawandel sieht McAfee all jenes an, dass Technologie, Kapitalismus, das öffentliche Problembewusstsein und reaktionsfähige Regierungen fördert. Zusätzlich hält er einen Emissionshandel und den Ausbau von Kernkraft für unerlässlich.
Fazit:
„More From Less“ ist ein gut geschriebenes und überzeugendes Buch.
McAfee stellt die provokante These auf, dass Kapitalismus und Technologie besser sind als ihr Ruf. In der Vergangenheit haben sie zwar die Lebenserwartung und den Wohlstand der Menschen enorm gesteigert, aber auch der Umwelt und dem Klima großen Schaden zugefügt. Doch nun zeichnet sich ein neuer Trend ab. Der Wohlstand steigt weiter, aber gleichzeitig sinken die negativen Umweltauswirkungen und der Ressourcenverbrauch, die Wirtschaft wird dematerialisiert.
McAfee macht in seinem Buch deutlich, dass wir Kapitalismus und technischen Fortschritt, aber auch mehr öffentliches Bewusstsein und reaktionsfähige Staaten brauchen, um diese Entwicklungen fortzusetzen und zu beschleunigen. Und er macht Mut, weil er uns auf dem richtigen Weg sieht.
Ein sehr empfehlenswertes Buch, das mir neue Perspektiven eröffnet hat.