Der Ökonom Bjorn Lomborg ist eine umstrittene Figur. Er soll wissenschaftliche Zahlen „cherrypicken“ und falsch darstellen und gar den Klimawandel leugnen.
Aber ich hatte gerade die wilde Mischung aus Panik und Verschwörungstheorien ertragen, die Greta Thunbergs „The Climate Book“ darstellt. Deshalb hatte ich das Bedürfnis, mal wieder eine andere Perspektive lesen zu dürfen.
Wie fand ich das Buch?
Der Klimawandel wird in dem Buch nicht geleugnet. Der Autor betont an mehreren Stellen, dass der Klimawandel ein reales und menschgemachtes Problem sein. Schade, ich hätte fast auf ein wenig Häresie gehofft.
Die zentrale These des Buches ist aber, dass der Klimawandel nicht das einzige oder wichtigste Problem des Planeten darstellt. Und deswegen müsse man den Klimawandel genau so bewerten wie andere Probleme auch, mit kühlem Kopf und unter Abwägung von Kosten und Nutzen.
Wenn man jede Dürre und jede Flut auf den Klimawandel zurückführt, dann ergreift man vielleicht die falschen Maßnahmen um solche Katastrophen in Zukunft zu verhindern. indem man alles unternimmt um den Klimawandel zu stoppen. Und das könnte dazu führen, dass man kostengünstigere und effektivere Maßnahmen zaußen vor lässt.
Daher fordert der Autor, dass man Klimaschutzmaßnahmen genau so bewertet wie andere politische Maßnahmen auch, mit Kosten und Nutzen im Blick. Und zwar nicht nur mit den Gesamtkosten, sondern auch die Kosten für die weniger Wohlhabenden. Denn, so der Autor, Klimaschutzmaßnahmen gingen oft gegen die Interessen der Ärmeren. Diese sind zum Beispiel von steigenden Energiekosten überproportional betroffen.
Und wenn eine Maßnahme gegen das Interesse der Ärmeren einer Bevölkerung geht, dann regen sich Widerstände. Beispiele seien hier die Gelbwesten in Frankreich oder auch die weltweit guten Wahlergebnisse von Parteien, die den Klimawandel leugnen.
Als Maßnahmen empfiehlt er deswegen eine CO2 Steuer, welche gering anfängt und mit der Zeit langsam ansteigt.
Wieso glaubt der Lomborg, dass der Klimawandel nicht das Ende der Welt darstellen wird?
In großer Detailtiefe geht Lomborg auf verschiedene Szenarien ein, warum der Klimawandel das Ende der Welt bedeuten soll. Bei all diesen handverlesenen Szenarien stellt er dar, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse außer Acht ließen oder nur einen Teil der Wahrheit darstellen sollen.
Solche Thesen sind zum Beispiel:
- dass diverse Inselstaaten durch einen Anstieg des Meeresspiegel nicht untergehen werden,
- dass es durch Klimaerwärmung immer weniger Kältetote geben könnte,
- dass die Welt immer grüner wird,
- oder sich die Eisbären vermehren
Die Beispiele wirken ein wenig zufällig ausgewählt und ich konnte beim Lesen des Buches nicht unmittelbar nachvollziehen ob das alles so auch stimmt. Das Interessante ist aber die Absicht, weshalb Lomberg so umfangreich in alle diese Einzelbeispiele eintaucht. Er will mit diesen Beispielen seine These untermauern, dass der Klimawandel nicht das Ende der Welt bedeutet.
Das Widerlegen einzelner Punkte ist natürlich kein ausreichender Nachweis, dass der Klimawandel nicht so schlimm sei. Denn wenn der Klimawandel durch starke Dürren einen großen Teil des Planeten unbewohnbar macht, dann ist es letztlich egal, ob mehr Eisbären herumspringen. Jede einzelne negative Auswirkung muss betrachtet und einbezogen werden. Deswegen bleibt der tatsächliche Nachweis Lombergs aus, dass der Klimawandel nicht so schlimm sei.
Was er aber sehr gut aufzeigt und was in vielen anderen Büchern unausgesprochen bleibt: Es wäre falsch, nur auf die schlimmstmöglichen Szenarien zu blicken. Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, die Auswirkungen mittels geeigneter Modelle möglichst realistisch zu bestimmen und auch die Modelle auf dem aktuellsten Stand zu halten. Und nur mit realistischen, also weder zu schlimmen, noch zu optimistischen Szenarien, können dann politische Entscheidungen getroffen werden.
Ein Konzept, dass ich so noch nirgendwo gelesen hatte, das aber absolut Sinn macht, ist der Expanding Bull Eye Effekt. Wenn Gebiete dichter und mit wertvolleren Strukturen besiedelt werden, dann nehmen natürlich auch die Auswirkungen Katastrophen wie Stürmen, Dürren oder Fluten zu. Das heißt aber nicht automatisch, dass die einzelnen Katastrophen häufiger oder schlimmer geworden wären. Das erscheint so intuitiv richtig, dass ich in Zukunft eine angemessene Skepsis mitbringen werde, wenn es um finanzielle Auswirkungen von Katastrophen geht.
Warum sollte es ein Problem darstellen, wenn man den Klimawandel ein wenig dramatisch darstellt? Könnte das nicht helfen, die Menschen zum handeln gegen den Klimawandel zu motivieren?
Wenn Klimaschutzmaßnahmen nur positive Auswirkungen auf den Wohlstand der Bevölkerung hätten, dann wäre es absolut richtig, alle Hebel in Bewegung zu setzten. Lomberg betont aber, dass Klimaschutzmaßnahmen auch negative Auswirkungen insbesondere auf die Ärmsten der Welt haben könnten. Als Beispiel nennt er die Einführung von Bioethanol in Benzin in Europa – die gesteigerte Nachfrage habe weltweit zu einem Anstieg der Kosten für Nahrungsmittel geführt. Und das hätte somit negative Auswirkungen insbesondere für die Ärmsten gehabt.
Und auch ein Umstieg auf erneuerbare Energien wird mit erhöhten Kosten einhergehen. Denn auch wenn sie vielleicht eines Tages zu geringeren Kosten betrieben werden können, so fallen ja zunächst Investitionskosten an. Außerdem entstehen Opportunitätskosten für die Nichtnutzung günstiger fossiler Energien.
In der Folge betont Lomborg, dass der Klimawandel genauso behandelt werden sollte wie andere Probleme auch: Kosten und Nutzen müssen gegeneinander abgewogen werden. Kosten der Bekämpfung des Klimawandels entstehen vor allem durch geringeres Wachstum. Nutzen sind vermiedene Schäden.
Das klingt natürlich intuitiv richtig, dass man Klimaschutzmaßnahmen auf diese Weise plant und auf eine solide Faktenbasis stellt.
Dann bestimmt Lomborg die ideale Temperatur des Planeten im Jahre 2100. Ideal bedeutet in diesem Kontext, dass die die Summe der Kosten für das Erreichen der Temperatur und durch die Klimaerwärmung entstehende Schäden minimal ist.
Für die Kosten der Schäden durch den Klimawandel zitiert Lomborg Modelle, dass eine Erhöhung um 4 Grad Celsius mit einem Verlust von 4% des BIPs einhergeht. Für diese Zahlen kann er sich auf Studien des Nobelpreisträgers William Nordhaus und des IPCCs stützen [1, 2].
Als Kosten von Klimaschutzmaßnahmen nimmt er repräsentativ sehr konservativ geschätzte Auswirkungen das Paris Agreement und verdoppelt pauschal die Kosten. Das tut er unter Verweis auf bisherige Klimaschutzmaßnahmen, die sich immer als deutlich teurer als geplant herausgestellt hätten.
Basierend auf diesen Annahmen kommt er dann final zu dem Schluss, dass die ideale Temperatur im Jahre 2100 etwas 3,75 Grad Celsius wärmer ist als vor der Industrialisierung [3].
Was muss getan werden?
Wenn also Klimaschutzmaßnahmen sogar schädlich sein können, dann sollte man sie bedacht planen. Lomborg schlägt 5 Maßnahmen vor:
- Eine kontinuierlich ansteigende CO2 Steuer: Lomborg ist ein großer Freund des freien Marktes. Er bemängelt aber, dass es auf dem Markt zu Ineffizienzen kommen kann, wenn nicht alle Informationen vorliegen. Die aus Treibhausgasemissionen entstehenden negativen Umweltauswirkungen sind in der Regeln nicht in den Preis von Gütern einbezogen. Um dieses Problem zu lösen, schlägt Lomborg eine CO2 Steuer vor.
- Innovationen: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung von nachhaltigen Technologien der Zukunft seien viel zu gering. Lomborg bemängelt, dass so viel Steuergelder in den Ausbau erneuerbarer Energien fließe, wobei hierbei kaum noch neue Innovationen entstünden. Den Punkt finde ich ein wenig seltsam, denn gerade bei erneuerbare Energien hat es Dank Subventionen auch Innovationen gegeben. Und natürlich kann man nicht einfach warten und hoffen dass man irgendwann die perfekte Innovation findet. Man muss sie auch, obwohl vielleicht im Folgejahr noch eine bessere Technologie erfunden werden könnten. Und manche Innovationen können gar nicht im Labor entstehen, sondern erst beim massenhaften Einsatz einer Technologie.
- Adaptation: Für Lomborg stehen Anpassungen an den Klimawandel viel zu wenig auf der Agenda und die möglichen positiven Auswirkungen werden viel zu wenig erforscht. Anpassungsmaßnahmen sind regional umsetzbar und viel effektiver und effizienter als allgemein die Bekämpfung des Klimawandels.
- Armut reduzieren: Eine recht populäre Forderung von Klimaschützern – die Bekämpfung des Klimawandels soll nebenher die Armut reduzieren. Lomborg zäumt dieses Pferd von hinten auf – durch eine vordergrundige Bekämpfung der Armut sollen die Menschen in die Lage versetzt werden, sich an den Klimawandel anzupassen. Das ist eine seiner zentralsten und wichtigsten Thesen. Dieses Vorgehen wirkt deutlich realistischer, als dass die Klimaschutzmaßnahmen die Ärmsten der Erde reich machen.
- Geoengineering: Wenn alles schief läuft und wir es nicht schaffen, den Klimawandel in den Griff zu bekommen, dann will Lomborg einen Plan B haben. Er will ihn nicht sofort einsetzen, nur für den Fall der Fälle wissen wie man den Weltuntergang verhindert. Da bin ich ganz bei ihm, es wäre geradezu fahrlässig alles auf eine Karte, das stoppen des Klimawandels, zu setzen.
Für wen würde ich das Buch empfehlen?
Nach der Lektüre des Buches hatte ich auf alle Fälle mehr Lust in Studien und Zahlen abzutauchen. Denn eines kann man klar und deutlich sehen: wenn Lomborg und radikalere Klimaschützer die selben Sachverhalte exakt oppositär darstellen, dann lügt entweder eine Seite oder die Wahrheit ist Auslegungssache und liegt irgendwo dazwischen. Auf jeden Fall ist der Diskussion nicht geholfen, wenn Sachverhalte einseitig zu hell oder zu düster dargestellt werden.
Insgesamt mochte ich die rationale und zahlenbasierte Schreibweise von Lomborg. Ich bin der Überzeugung, dass man Diskussionen genau so führen sollte. Und wenn er Sachverhalte falsch darstellt, dann sollte man dennoch eine rationale Diskussion führen und sich eben stattdessen auf korrektere Sachverhalte stützen.
Ich fand das Buch sehr lesenswert. Auch wenn ich bezüglich einiger zitierter Fakten etwas skeptisch bin, so liefert das Buch dennoch wertvolle Denkansätze. Man bekommt eindrucksvoll dargelegt, dass man nicht immer vom schlimmsten Fall ausgehen soll, aber auch nicht vom besten Fall. Und es wird eine tatsächliche Debatte über Kosten und Nutzen von Klimaschutzmaßnahmen geführt.
Quellen:
[1] Revisiting the social cost of carbon | PNAS
[2] SR15_Chapter_3_LR.pdf (ipcc.ch)